Leben mit Cystinose
Ernährung
Ernährungstipps für Cystinosepatient*innen
Die Erkrankung hat auch Einfluss auf das Ess- und Trinkverhalten von Cystinosepatient*innen. Das zentrale Problem besteht darin, dass über die Nieren viel zu viel Wasser und viel zu viele Nährstoffe ausgeschieden werden. Die Betroffenen haben somit immer Durst und müssen große Mengen trinken. Außerdem müssen die verlorenen Nährstoffe ersetzt werden. Zusätzlich haben einige Betroffene auch Probleme beim Kauen oder Schlucken.
Gerade bei jüngeren Kindern mit Cystinose spielt Ernährung daher eine wichtige Rolle. Sie müssen sich – wie ihre gesunden Altersgenossen auch – an das Thema Essen herantasten. Krankheitsbedingt haben die jungen Cystinosepatient*innen oft wenig Appetit und verweigern manchmal die Nahrung sogar gänzlich. Damit sie sich im Hinblick auf Größe und Gewicht bestmöglich entwickeln können, ist neben der Behandlung der Erkrankung eine gesunde und nährstoffreiche Ernährung sehr wichtig.
Wichtige Nährstoffe bei Cystinose
Wegen der vermehrten Ausscheidung von Mineralstoffen über die Niere sollten Cystinosepatient*innen vor allem darauf achten, dass sie Lebensmittel zu sich nehmen, die viel Phosphor, Kalium und Natrium enthalten.
Einen von Natur aus hohen Phosphatanteil haben zum Beispiel:
- Milch
- Milchprodukte und Käse, insbesondere Schmelzkäse
- Hülsenfrüchte, Nüsse und Mandeln.
Zu den kaliumreichen Lebensmitteln gehören:
- Obstsorten wie Bananen, Kiwi und Weintrauben
- verschiedene Gemüse wie Spinat, Brokkoli oder Champignons
- Schokolade, Marzipan und Vollkornprodukte.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass von Cystinose betroffene Menschen eine Vorliebe für herzhafte, salzige Speisen haben. So kompensieren sie den Mangel an Natrium. Schließlich besteht Kochsalz zu einem großen Teil aus diesem Mineralstoff.
Energie tanken mit der richtigen Ernährung
Damit Kinder mit Cystinose genug Energie über die Nahrung aufnehmen, auch wenn sie insgesamt wenig essen, sollten sie ruhig auf kalorienreiche Lebensmittel zurückgreifen wie Pudding mit Sahne, Schokolade oder Gebäck. Etwas gesünder wird es mit Milchshakes, die man mit Sahne, Milch und Eis, aber zusätzlich auch mit vitamin- und kaliumreichen Früchten mixen kann.
Darüber hinaus kann man bei Bedarf die Nahrung mit speziellen diätetischen Produkten anreichern oder den Kindern Trinknahrung, auch Astronautenkost genannt, anbieten.
Magensonde
Verliert ein Kind stark an Gewicht und kann dies nicht wieder durch besonders kalorienreiche Ernährung aufgefangen werden, kann eine PEG-Magensonde helfen. Die Abkürzung „PEG“ steht für „perkutane endoskopische Gastrostomie“ und bedeutet, dass ein Zugang von außen durch die Haut (lateinisch „perkutan“) in den Magen (griechisch „gaster“) gelegt wird.
Mithilfe einer Magensonde wird der*die Patient*in direkt über den Magen-Darm-Trakt ernährt, sodass Schluckprobleme oder Appetitlosigkeit umgangen werden. Das Einsetzen einer PEG-Sonde dauert nur 15 Minuten und erfolgt meist unter örtlicher Betäubung. Dabei wird ein kleiner Schlauch durch die Bauchwand in den Magen gelegt, über den Flüssigkeiten oder dünnbreiige Nahrung oder Medikamente verabreicht werden können.
Ernährung und Medikamente
Man unterscheidet zwei Arten von Cysteamin-Kapseln zur Behandlung der Cystinose. Neben Kapseln, die sich im Magen auflösen und viermal täglich eingenommen werden, gibt es solche, die ihren Wirkstoff verzögert und somit erst im Darm freisetzen. Je nach Art der Cysteamin-Formulierung unterscheiden sich auch die Empfehlungen, welche Lebensmittel die Medikamenteneinnahme begleiten sollten:
Bei den Kapseln, die sich bereits im Magen auflösen, ist es wichtig, diese nicht mit säurehaltigen Getränken wie z. B. Orangensaft einzunehmen.
Die Kapseln, die sich erst im Darm auflösen, sollten hingegen mit sauren Lebensmitteln wie Orangensaft, Gurkenwasser oder Apfelmus eingenommen werden, aber nicht mit fett- oder eiweißreicher Nahrung wie Pizza oder Fleisch.
Genauere Informationen sind in der Packungsbeilage des jeweiligen Cysteamin-Produkts zu finden.
Kita & Schule
Wenn Kinder selbstständiger werden – der Besuch von Kita und Schule
Mit dem Besuch von Kita und Schule machen Kinder mit Cystinose die ersten Schritte in ein eigenes, selbstbestimmteres Leben. Damit dies gut gelingt, sollten Eltern die Erzieher*innen und Lehrer*innen frühzeitig über die Erkrankung ihres Kindes informieren. Hier finden Sie eine Informationsbroschüre für Erzieher*innen und Lehrer*innen zum Herunterladen. Im Gespräch sollten Eltern darum bitten, dass es nicht unnötig geschont wird, seinen besonderen Bedürfnissen jedoch mit Aufmerksamkeit und Verständnis begegnet wird. So ist es den Erzieher*innen und Lehrer*innen möglich, Schwierigkeiten im Vorfeld zu erkennen und Lösungen zu entwickeln.
Konkret sollten Eltern darauf hinweisen, dass ihr Kind
- Medikamente einnehmen muss, vielleicht auch während des Aufenthalts in Kita & Schule und dabei eventuell Hilfe benötigt,
- relativ oft zur Toilette muss, viel Durst hat und deshalb immer freien Zugang zu Getränken haben muss,
- möglicherweise je nach Präparat wegen erforderlicher nächtlicher Medikamenteneinnahme und/oder wegen des häufigen Wasserlassens nachts regelmäßig nicht durchschlafen kann und daher tagsüber müder als andere Kinder ist,
- bei den Mahlzeiten aufgrund von Schluckproblemen unter Umständen mehr Zeit zum Essen braucht,
- beim Spielen, Toben oder Sport eventuell weniger ausdauernd und belastbar ist, aber an allen körperlichen Aktivitäten teilnehmen darf,
- vielleicht Probleme damit hat, Kontakt zu anderen Kindern aufzubauen und wegen seines Aussehens und des medikamentös bedingten Mund- und Körpergeruchs von sozialer Ausgrenzung betroffen sein kann,
- aufgrund der Erkrankung möglicherweise Konzentrationsschwierigkeiten hat und sein Sehvermögen und seine Feinmotorik eingeschränkt sein könnten.
Da Kinder mit Cystinose geistig oder kognitiv nicht beeinträchtigt sind, können sie normale Kitas und Schulen besuchen.
Cystinose & Kita
Wie für alle Kinder und Familien bringt der Besuch einer Kindertagesstätte auch für Kinder mit Cystinose und deren Eltern viele Vorteile. So trauen sich die die Kleinen im Zusammensein mit Gleichaltrigen vielleicht Dinge zu, die sie im familiären Umfeld nicht ausprobiert hätten. Auf diese Weise gewinnen sie Selbstständigkeit und Selbstvertrauen hinzu. Möglich ist auch, dass das Kind bereits in der Kita Kinder kennenlernt, mit denen es die Grundschule besuchen wird und die ihm die Eingewöhnung in der Schule erleichtern können. Auch auf Eltern kann sich der Kita-Besuch positiv auswirken: Sie haben wieder mehr Zeit für sich und lernen, ein Stück weit loszulassen.
Cystinose & Schule
Kinder mit Cystinose können grundsätzlich zum gleichen Zeitpunkt wie gesunde Kinder eingeschult werden. Es ist sinnvoll, mit dem Kind schon vor den Sommerferien die zukünftige Schule zu besuchen, um es mit der neuen Umgebung vertraut zu machen (Wo sind die Toiletten? Gibt es schwere Türen, die es nicht allein öffnen kann?, etc.) und die Lehrpersonen über die Erkrankung zu informieren. Sollte es zu schulischen Problemen kommen, könnte dies auf erkrankungsbedingte Konzentrationsschwierigkeiten und Einschränkungen im Sehvermögen und der Feinmotorik zurückzuführen sein. Ein Nachteilsausgleich ist in diesem Fall denkbar.
Erwachsenwerden
Große Verantwortung: Erwachsenwerden mit Cystinose
Erwachsenwerden bringt neue Herausforderungen und einen Zuwachs an Verantwortung mit sich – gerade für Jugendliche mit Cystinose. Sie werden nicht mehr von Ihren vertrauten Kinderärzt*innen behandelt und übernehmen die Verantwortung für die Behandlung der Erkrankung jetzt selbst. Diese Veränderung fällt sowohl den Eltern als auch den Betroffenen oft schwer und es kann zu Rückschlägen im Behandlungsverlauf kommen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass das Gesundheitsteam für Kinder und Jugendliche mit dem für Erwachsene eng zusammenarbeitet und der Übergang auf die individuelle Situation abgestimmt gestaltet wird.
Ein Balanceakt zwischen neuen Bedürfnissen und dem Schutz der eigenen Gesundheit
In der Pubertät spielen Ablehnung und Akzeptanz bei der Selbstfindung eine wichtige Rolle. Es ist also nur verständlich, dass bei Jugendlichen mit Cystinose zuweilen eine Ablehnung oder gar Verleugnung der Erkrankung zu beobachten ist. So werden zum Beispiel Termine bei Ärzt*innen nicht wahrgenommen und auch die nötige Selbstdisziplin im Hinblick auf die Medikamenteneinnahme fehlt. Das ist bei Jugendlichen zwar nachzuvollziehen, aber leider auch gesundheitlich riskant. Doch auch wenn Jugendliche eher zu riskanten Verhaltensweisen neigen, sie sich von den Vorstellungen und Ratschlägen der Eltern abgrenzen möchten und sie jetzt verstärkt das Gefühl haben, anders zu sein: Sie sollten auf gar keinen Fall die Therapie vernachlässigen.
Es ist immer okay, gegen etwas zu sein, vor allem aber darf man für etwas sein: für sich und sein Leben.
Tipps für junge Erwachsene mit Cystinose
Die Begleiterscheinungen der Cysteamin-Einnahme kennen die jungen Erwachsenen inzwischen: unangenehmer Körper- und Mundgeruch. Die Medikamente unregelmäßig einzunehmen, ist hier aber keine Lösung. Wenn die Begleiterscheinungen zu einer starken Belastung werden, berät das Gesundheitsteam zu möglichen Lösungen wie Vitamin B, Körper- oder Atemsprays.
Zum Erwachsenwerden mit Cystinose gehört auch, zu Expert*innen für die eigene Gesundheit und die persönliche Krankheitsgeschichte zu werden. So sollten die Jugendlichen zum Beispiel in Notfallsituationen Auskunft über durchgeführte Operationen wie Nierentransplantationen, Allergien oder Kontaktadressen der behandelnden Ärzt*innen geben können.
- Watson AR et al. Pediatr Nephrol. 2011;26(10):1753–1757.
- Nesterova G, Gahl WA. Pediatr Nephrol. 2008;23(6):863–878.
- Nesterova G, Gahl WA. Pediatr Nephrol. 2013;28(1):51–59.
Uni, Ausbildung und Arbeitsleben
Uni, Ausbildung und Arbeitsleben mit Cystinose
Je älter Betroffene werden, desto mehr verändert sich das Leben: Man zieht vielleicht zuhause aus, fängt an zu studieren oder erlernt einen Beruf. Eine spannende Zeit voller Chancen – Chancen, die trotz der Erkrankung gelebt werden können. Damit man hier das für sich finden kann, was am meisten begeistert, folgen hier ein paar Hinweise, die weiterhelfen können.
Uni/Ausbildung
Für das Studium oder die Ausbildung gibt es, besonders wenn häufige Toilettenbesuche erforderlich sind, die Möglichkeit einen Antrag auf Nachteilsausgleich in Prüfungssituationen zu stellen. Dafür stehen verschiedene Ansprechpartner*innen zur Verfügung, wie die Mitarbeitenden im Sekretariat, Dozent*innen, Professor*innen, Tutor*innen oder Lehrkräfte, die in diesem Prozess unterstützen können. Um Unterstützung von den Inklusionsbeauftragten der Universität, Hochschule oder Schule zu erhalten, ist es sinnvoll, sich zunächst an das Sekretariat der jeweiligen Bildungseinrichtung zu wenden. Hier können Informationen über angebotene Unterstützungsdienste für einen chancengleichen Zugang und Beratungsmöglichkeiten eingeholt werden. Es ist wichtig, offen über die eigenen Bedürfnisse zu sprechen, damit passende Lösungen gefunden werden können. Die Erfahrungen im Umgang mit der Erkrankung helfen auch in neuen Umgebungen, sich zurechtzufinden und dabei bei sich zu bleiben.
Wenn man in eine andere Stadt zieht, ist es ratsam, bereits im Voraus die wichtigsten medizinischen Anlaufstellen wie den Hausarzt/die Hausärztin, den Augenarzt/die Augenärztin und Nephrolog*in zu finden. Gerne auch den behandelnden Arzt/die behandelnde Ärztin fragen, ob er oder sie hierzu weiterhelfen kann. Eine frühzeitige Organisation erleichtert die Anpassung an die neue Umgebung und stellt sicher, dass die medizinische Betreuung fortgesetzt werden kann.
Arbeitsleben
Was immer einen begeistert, man sollte es tun – dabei ist es natürlich wichtig, eine Tätigkeit zu wählen, bei der man nicht schwer körperlich belastet wird. Falls der Beruf den Führerschein erfordert und die Sehprüfung bestanden wird, kann man diesen sogar machen. Beachtet werden sollte jedoch, dass bei eingeschränkter Sehfähigkeit möglicherweise nächtliches Fahren nicht erlaubt ist. Bei Fragen oder sonstigen Anliegen dazu kann man sich einfach an eine Fahrschule wenden. Wie geht man mit der Erkrankung im Arbeitsumfeld gegenüber Kolleg*innen und Vorgesetzten um? Genauso, wie man das bis hierher für sich herausgefunden hat. Offenheit ist natürlich immer von Vorteil und schafft Verständnis gegenüber z. B. dem Körpergeruch und den speziellen Bedürfnissen. Auch hier gilt: Jede gemeisterte Herausforderung bringt einen weiter.
Möglicherweise hat das Unternehmen sogar eine oder einen Inklusionsbeauftragte*n, der oder die bei speziellen Anliegen weiterhelfen kann. Einfach in der Personalabteilung nachfragen, um mehr darüber zu erfahren.
Schwerbehindertenausweis
Einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen, fällt nicht leicht und kann auch Nachteile haben. Dennoch sind gerade im Arbeitsleben viele Vorteile mit einem solchen Ausweis verbunden. Und wie immer im Leben, gibt es auch mit Blick auf sich und das Leben keine einfachen Antworten. Am besten informiert man sich einfach z. B. bei der Agentur für Arbeit, bei einem Integrationsdienst, oder einem Integrations- bzw. Inklusionsamt und überlegt dann, ob ein Schwerbehindertenausweis in der eigenen Situation weiterhilft.
Hier sind einige der Vorteile im Überblick:
- Verbesserte Chancen auf einen Studienplatz (Härtefallantrag)
- Erhöhte Chancen für einen Arbeits-/Ausbildungsplatz (Erfüllung einer Quote von Menschen mit Schwerbehinderung)
- Besonderer Kündigungsschutz
- Zusätzlicher Urlaubsanspruch